Am Ende der Straße war das »Dickicht«, das Ziel seiner Expedition, auszumachen. Rechnete er alle seine Aufenthalte während der gesamten Studienzeit zusammen, hatte er schon Monate dort zugebracht. Das »Dickicht« war nicht all zu groß. Im Erdgeschoß stand eine kleine Bar samt Hockern. Drei Tische mit Stühlen ergänzten die Einrichtung. Einen Stock höher gab es noch einen kleinen Raum.
Er erreichte sein Ziel gerade noch, bevor ein Platzregen niederging. Es hatte sehr schnell zugezogen; der Regen kam überraschend. Vom Sessel aus, auf dem er Platz genommen hatte, sah er, wie Passanten sich in Sekunden in begossene Pudel verwandelten und Laut gebend vor der Fensterfront vorbeiliefen. Im Lokal selbst war nicht gerade tierisch viel los.
Die Augen zu schließen war bekanntlich einfach, nicht zuzuhören hingegen schwierig. Ohne es zu wollen, bekam er Teile eines an einem Nebentisch geführten Gesprächs mit: »Ich bin ein Fisch und mein Freund ist Krebs.« Der aufmerksame Gesprächspartner bemerkte dazu: »Sei froh, dass du bisher kaum mit Löwen oder Skorpionen zu tun hattest. Als Steinbock kann ich dir sagen: In ihrer Nähe kommt man sich manchmal vor wie ein Beutetier.«
Die beiden sahen recht mitgenommen aus. Auf ihrem Tisch standen zwei Red Bulls. Beide griffen beinahe zeitgleich danach. Nach einem Schluck setzte der Fisch sein Gespräch fort: »Aber eigentlich bin ich ja eine Schlange, wenn man es chinesisch sieht.« Der Steinbock wollte mithalten und bemerkte: »Soviel ich weiß, bin ich ein Drache. Ich bin mir da aber nicht ganz sicher. Die Info stammt von meinem Freund. Bei ihm kann ich Ernst und Spaß nicht immer ganz auseinanderhalten. Vielleicht wollte er mich auch bloß aufziehen.«
An so etwas erinnerte er sich nicht: ein Fisch und ein Steinbock mit Identitätsproblemen. Die Expedition hatte sich allein durch diese Beobachtung bereits ausgezahlt. Der Tag sollte aber noch weitere Überraschungen für ihn bereithalten. ...
Während die Probleme an besagtem Nebentisch in einem gemäßigten Ton besprochen wurden, gackerten Unbekannte zu seiner Rechten ohne Vorwarnung los, brachten Unruhe in das beschauliche Lokal. Jeder dort versuchte am lautesten zu sein. Grelles Kichern und Gelächter füllte den ganzen Raum. Die unverständlichen Sätze, die ins Tonwirrwar hineingerufen wurden, klangen wie engagierte Pfiffe eines Schiedsrichters. Unnötigerweise gesellte sich noch ein bunter Paradiesvogel zur Gesellschaft. Es überraschte ihn, dass es einen Frisör gab, der ihm diese blaugrünen Federn verpasst hatte. Als sich herausstellte, dass das Organ dieses komischen Vogels genau so schrill war wie sein Äußeres, wurde es kurzfristig sogar für ihn als Beobachter etwas laut. ...